Deutschland und Luxemburg verabschieden Änderungsprotokoll zum DBA
AIQUNITED-TEAM / Oktober 11th
Am 06.07.2023 haben sich die Finanzministerien von Deutschland und Luxemburg auf ein Änderungsprotokoll zum bisher bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und Luxemburg vom 23.04.2012 („DBA“) verständigt. Anlass für die Änderung dürfte die Ausweitung der bis jetzt geltenden „19-Tage-Regelung“ sein, welche die Tätigkeit im Homeoffice für grenzüberschreitende Arbeitnehmer regelt und jetzt steuerlich vereinfacht sowie erstmals ins DBA selbst aufgenommen werden soll. Darüber hinaus enthält das Protokoll Klarstellungen in Bezug auf die Abkommensberechtigung von Investmentfondsstrukturen sowie die Besteuerungen von Gehältern, Pensionen und Ruhegeldern. Nicht zuletzt werden auch Anti-Missbrauchsregelungen aufgenommen, die den letzten internationalen Standards entsprechen.
Das Änderungsprotokoll tritt in Kraft, sobald es von beiden Ländern ratifiziert wurde. Sofern die Ratifikation des Protokolls im Jahr 2023 abgeschlossen wird, finden die Regelungen erstmals ab 01.01.2024 in beiden Vertragsstaaten Anwendung.
Bitte finden Sie nachfolgend einen Überblick über die wesentlichen Neuerungen.
I. Neue Homeoffice-Regelung
Die bis dato bestehende Bagatellregelung („19-Tage-Regel“) für grenzüberschreitend tätige Arbeitnehmer wird durch die Einführung eines Abs. 1a in Art. 14 DBA erstmals in das DBA aufgenommen und auf 34 Tage pro Kalenderjahr erweitert. Dies soll Rechtssicherheit für die Arbeit aus dem Homeoffice gewährleisten, den bürokratischen Aufwand in beiden Vertragsstaaten verringern und die Besteuerung vereinfachen. Eine ähnliche Regelung soll für Beschäftigte im öffentlichen Dienst implementiert werden. Dies ermöglicht es Grenzpendlern, in Zukunft ihre Arbeit flexibler zu gestalten und ihrer Tätigkeit vermehrt aus dem Homeoffice nachzugehen, ohne befürchten zu müssen, mit ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit der deutschen Besteuerung zu unterliegen. Dabei gilt die Arbeit bereits an einem Arbeitstag in einem Staat oder Gebiet als ausgeübt, sobald sie für eine Zeit von 30 Minuten in diesem Staat oder Gebiet ausgeübt wird.
II. Verhinderung von steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten
Es sollen abkommensrechtliche Maßnahmen des BEPS-Projekts1 im gegenseitigen Verhältnis zwischen den beiden Vertragsstaaten realisiert werden. Dazu wird die Präambel anhand der Vorlage des Art. 6
des Multilateralen Instruments („MLI“)2 angepasst, womit klargestellt wird, dass der Zweck des Abkommens nicht nur in der Verhinderung von Doppelbesteuerungen besteht, sondern auch darin, Möglichkeiten zur Nicht- oder Niedrigbesteuerung durch Steuerverkürzung oder -umgehung (unter anderem durch missbräuchliche Gestaltungen zum Nutzen von in Drittstaaten ansässigen Personen) zu verhindern.
Zudem wird in Art. 27 DBA der sog. „Principal Purpose Test“3 auf Grundlage des Art. 7 MLI eingeführt.
Art. 1 DBA wird nach Vorlage von Art. 3 Nr. 1 MLI um einen Absatz zur Besteuerung hybrider Gestaltungen erweitert. Ziel ist es sicherzustellen, dass unter anderem Gesellschafter einer Personengesellschaft die Vorteile des DBA nutzen können und gleichzeitig auszuschließen, dass Abkommensvorteile mittelbar nichtansässigen Gesellschaftern zugutekommen.
III. Besteuerung von Fondstrukturen
In Zukunft sollen nach Art. 13 des Änderungsprotokolls Organismen für gemeinsame Anlagen („OGA“), die in einem Vertragsstaat errichtet wurden und aus dem anderen Vertragsstaat Einkünfte erhalten, in dem Staat für steuerliche Zwecke ansässig sein, in dem sie gegründet wurden. Der Begriff OGA bedeutet im Fall Deutschlands ein Investmentfonds nach dem Investmentsteuergesetz. Im Fall Luxemburgs fallen unter OGA Investmentfonds i. S. d. RAIF-Gesetzes von 2016 („Reserved Alternative Investment Fund“), des SIF-Gesetzes von 2007 („Specialised Investment Fund“) sowie des OGA-Gesetzes von 2010. Davon sind sowohl in Deutschland als auch in Luxemburg Organismen ausgenommen, die als Personengesellschaft errichtet wurden. Unter den Begriff des OGA sollen zukünftig somit auch Investmentfonds in der Rechtsform eines Luxemburger „Fonds Commun de Placement“ („FCP“) fallen, der zwar in Luxemburg als steuerlich transparent angesehen wird, jedoch keine Personengesellschaft ist. FCPs galten zuvor nur dann als Investmentvermögen im Sinne des Art. 10 DBA, wenn die Anteile an dem FCP von in Luxemburg ansässigen Personen gehalten wurden.
Ein OGA, der in einem Vertragsstaat errichtet wurde, wird zudem explizit als Nutzungsberechtigter („beneficial owner“) für die Einkünfte bezeichnet, die er aus dem anderen Vertragsstaat bezieht
IV. Änderungen im Rahmen der Dividendenbesteuerung
Die Abs. 2 und 3 des Art. 10 DBA werden geändert und die deutsche Real-Estate-Investment-Trust-Aktiengesellschaft („REIT-AG“) wird namentlich in das DBA aufgenommen. Die nach Abs. 2 Buchst. b) vorgesehene Maximalbesteuerung von Dividenden mit 15 % in dem Staat, in dem die Dividenden zahlende Gesellschaft ansässig ist, gilt nur noch, wenn es sich bei dieser um eine REIT-AG i. S. d. REIT-Gesetzes oder um eine luxemburgische Immobiliengesellschaft handelt und nicht mehr wie zuvor um eine „Immobilieninvestmentgesellschaft“. Aus deutscher Sicht hatte sich Buchst. c) zuvor ohnehin nur auf REITs bezogen, weshalb es nachvollziehbar ist, die REIT-AG explizit ins DBA aufzunehmen.
Neu ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Maximalbesteuerung von 15 % im Ansässigkeitsstaat der zahlenden Gesellschaft für Fälle gilt, in denen die Dividenden an einen OGA ausgezahlt werden.
Sofern der Empfänger der Dividende eine transparente Gesellschaft ist, soll Art. 10 DBA in den Fällen, in denen die Anleger der transparenten Gesellschaft im Staat dieser Gesellschaft ansässig sind, so anzuwenden sein, als hätten die Anleger die Dividenden unmittelbar selbst bezogen.
V. Ausweitung des Anwendungsbereichs der Wegzugsbesteuerung
Durch das Änderungsprotokoll wird Art. 13 Abs. 6 DBA neu gefasst. Unter anderem werden aus „natürlichen Personen“ nunmehr „Personen“ und die „Mindestansässigkeitsgrenze“von 5 Jahren fällt ersatzlos weg. Dadurch dürfte der Anwendungsbereich der Norm erweitert werden, da vom Begriff „Personen“ fortan alle Personen i. S. d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. d) DBA, somit auch Gesellschaften i. S. v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. e) DBA, erfasst werden. Die Beschränkung, wonach die Norm nur auf natürliche Personen, die im Wegzugsstaat für mindestens 5 Jahre ansässig waren, Anwendung findet, entfällt somit.
Die Norm dient der Sicherstellung der Besteuerung der stillen Reserven von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft im Wegzugsstaat, bei Wegzug des Gesellschafters in ein anderes Land sowie der Verhinderung einer Doppelbesteuerung im Wegzugs- und neuen Ansässigkeitsstaat. Die Person wird im Wegzugsstaat (vorheriger Ansässigkeitsstaat) zum Zeitpunkt des Ansässigkeitswechsels so besteuert, als hätte sie Gesellschaftsanteile veräußert, was zur Aufdeckung der stillen Reserven führt. Stille Reserven, die bis zur Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht entstanden sind, werden zunächst im Wegzugsstaat besteuert. Werden die Anteile nun im neuen Ansässigkeitsstaat tatsächlich veräußert, besteht die Gefahr, dass der neue Ansässigkeitsstaat als Bemessungsgrundlage die Differenz zwischen dem Veräußerungserlös und den historischen Anschaffungskosten zugrunde legt, was zu einer Doppelbesteuerung der bis zum Zeitpunkt des Ansässigkeitswechsels entstandenen stillen Reserven führen kann. Dies soll durch die Norm verhindert werden, indem der neue Ansässigkeitsstaat verpflichtet wird, eine steuerneutrale Aufwertung vorzunehmen.
VI. Weitere Änderungen in Kürze
- Explizite Aufnahme einer Regelung in Art. 14 DBA hinsichtlich der Aufteilung der Vergütung für Personen, die im Bereich des Güter- und Personentransports beschäftigt sind und deren Arbeitgeber oder Betriebsstätte in beiden Vertragsstaaten ansässig bzw. belegen ist.
- Die 12-Jahres-Frist in Art. 17 Abs. 3 DBA in Bezug auf die Besteuerung von aus Deutschland stammenden Ruhegehältern, ähnlichen Vergütungen oder Renten wird ersatzlos gestrichen.
- Art. 22 DBA wurde in vielen Punkten geändert und ergänzt, wobei es sich dabei in erster Linie um Anpassungen der Formulierung des Artikels selbst handelt, welche auf Änderungen in den vorherigen Artikeln des DBA beruhen. Darüber hinaus gab es teils kleinere inhaltliche Ergänzungen. Das Grundgerüst der Freistellungs- bzw. Anrechnungsmethode in dem jeweiligen Vertragsstaat ist dabei allerdings unverändert geblieben.
- Ersatzlose Aufhebung des Art. 24 Abs. 5 DBA „Verständigungsverfahren“ und somit Aufhebung des DBA internen Schiedsverfahrens. Davon unberührt bleibt die EU-Schiedskonvention.
- Generelle Anpassungen und Ergänzungen in Bezug auf diverse Begrifflichkeiten sowie den allgemeinen Wortlaut der jeweils geänderten Normen.
1 BEPS steht für „Base Erosion and Profit Shifting“, übersetzt bedeutet dies in etwa Gewinnkürzung und Gewinnverlagerung. Das BEPS-Projekt wurde im Jahr 2013 mit dem Ziel initiiert, gegen den schädlichen Steuerwettbewerb der Staaten und aggressive Steuerplanungen international tätiger Konzerne vorzugehen. Mittlerweile haben sich über 140 Staaten und Jurisdiktionen diesem Vorhaben angeschlossen. Dazu gehören alle Staaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die Gruppe der G20 sowie weitere Entwicklungs- und Schwellenländer.
2 Das sog. Multilaterale Instrument ist ein mehrseitiger, völkerrechtlicher Vertrag, der die Änderung bestehender DBA bezwecken soll und der Empfehlungen und Mindeststandards zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und doppelter Nichtbesteuerung enthält.
3 Der PPT kommt zur Anwendung, wenn die Erlangung eines steuerlichen Vorteils eines der Hauptziele einer Transaktion oder einer Gesellschaftsstruktur ist. Liegt ein vermeintlich geplanter Missbrauch vor, kann das Abkommen bzw. die entsprechende Vorschrift nicht angewendet werden, es sei denn, dem Steuerpflichtigen gelingt der Beweis des Gegenteils.