ESMA-Stellungnahme zu unangemessenen Kosten CSSF-Selbstbewertungsfragebogen und wie diese zu zusätzlichen Dokumentationsanforderungen für AIFM führen
AIQUNITED-TEAM / September 27th
Am 17. Mai 2023 veröffentlichte die ESMA ihre Stellungnahme zu unangemessenen Kosten von OGAW und AIF (die „Stellungnahme“).[1] Die Stellungnahme ist das Ergebnis einer gemeinsamen Aufsichtsaktion (common supervisory action – CSA) mit den nationalen zuständigen Behörden (national competent authorities – NCA), die die ESMA im Januar 2021 gestartet hat. Laut ESMA zeigte die CSA unterschiedliche Marktpraktiken in Bezug auf das, was die Branche als fällige oder unangemessene Kosten angibt. Marktteilnehmer waren in 2023 zum ersten Mal verpflichtet, das sog. „self assessment questionaire“ („SAQ“) bei der CSSF mittels eDesk zu hinterlegen. Diese ausführliche Berichtspflicht wird sich nun in den alljährlichen Berichtsreigen einreihen. Nachfolgend erläutern wir insbesondere, was es mit der Stellungnahme auf sich hat und welche Auswirkungen diese auf Verwaltungsgesellschaften von Investmentfonds hat. Ausserdem gehen wir kurz darauf ein, wie diese Auswirkungen im Rahmen des SAQ bereits auftraten und aller Voraussicht nach auch zukünftig auftreten werden.
Zusammenfassung
- Gemäß Artikel 17 Absatz (2) der Level-2-Verordnung müssen AIFM sicherstellen, dass den Anlegern keine unangemessenen Kosten in Rechnung gestellt werden.
- Derzeit gibt es keine klare Definition des Begriffs „unangemessene Kosten“, die einem AIF in Rechnung gestellt werden.
- Die ESMA-Stellungnahme beabsichtigt, den Begriff der unangemessenen Kosten zu klären.
- Die in Anhang VI der PRIIPs-Verordnung enthaltene Liste der Kosten darf nicht einfach als Modell für alle von einem AIFM verwalteten AIF verwendet werden.
- Laut ESMA sollen AIFM einen dokumentierten Preisfindungsprozess in Bezug auf die den AIF in Rechnung gestellten Kosten entwickeln, der nicht nur die Anlagepolitik und die Komplexität jedes AIF berücksichtigt, sondern auch die Verantwortlichkeiten innerhalb des Leitungsgremiums eines AIFM definiert.
- Gebühren und Kosten, die einem AIF in Rechnung gestellt werden bzw. werden können, müssen in den vorvertraglichen Unterlagen des AIF offengelegt werden, und zwar nicht nur nach Art und Umfang, sondern auch in Bezug auf die (maximalen) Beträge.
- Verstöße sind der NCA und den Anlegern zu melden.
- ESMA sieht diese Verantwortung bei der Compliance-Funktion eines AIFM.
- Die Selbstbewertungsfragebögen (Self-Assessment Questionnaires – SAQs) verlangen von den AIFM, jährlich über die Einhaltung dieser Anforderungen zu berichten.
Rechtlicher Hintergrund
Artikel 12 Absatz (1) der Richtlinie 2011/61/EU über die Verwalter alternativer Investmentfonds („AIFMD“)[2] sieht vor, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die AIFM stets: (a) ihrer Tätigkeit ehrlich, mit der gebotenen Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit und redlich nachgehen; (b) im besten Interesse der von ihnen verwalteten AIF oder der Anleger dieser AIF und der Integrität des Marktes handeln; (f) alle Anleger der AIF fair behandeln.
Artikel 17 Absatz (2) der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 231/2013 der Kommission zur Ergänzung der Richtlinie 2011/61/EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf Ausnahmen, allgemeine Bedingungen für die Ausübung der Tätigkeit, Verwahrstellen, Hebelfinanzierung, Transparenz und Beaufsichtigung („Level-2-Verordnung“)[3] legt weiter fest, dass AIFM sicherstellen müssen, dass den von ihnen verwalteten AIF oder den Anlegern dieser AIF keine unangemessenen Kosten entstehen.
Bislang wird jedoch weder in der Level-2-Verordnung noch in der AIFMD selbst oder in einer anderen regulatorischen Erklärung auf EU-Ebene präzisiert, was der Begriff „unangemessene Kosten“ eigentlich bedeutet.[4]
Die Stellungnahme
In der Stellungnahme legt die ESMA ihre Ansichten zur Klärung des Begriffs der unangemessenen Kosten im Rahmen der [OGAW-Richtlinie][5] und der AIFMD dar. Sie argumentiert, dass das Thema von großer Bedeutung für den Anlegerschutz ist, dass es, wenn es unberücksichtigt bleibt, Raum für regulatorische Arbitrage lässt und sich negativ auf den Wettbewerb auf dem EU-Markt auswirken könnte.[6] Die Stellungnahme enthält Vorschläge an die Europäische Kommission für mögliche Klarstellungen der Rechtsvorschriften der OGAW-Richtlinie und der AIFMD in Bezug auf den Begriff der unangemessenen Kosten.
Sie bezieht sich insbesondere auf die „Liste der Kosten“ (die „Liste“), wie sie in der PRIIPs-Verordnung detailliert aufgeführt ist.[7] Die ESMA weist darauf hin, dass diese – in der Tat recht umfangreiche und detaillierte – Liste im Allgemeinen als erschöpfend zu betrachten ist. Nur unter bestimmten Bedingungen sollte es der NCA erlaubt sein, von Fall zu Fall zusätzliche Kostenkategorien zu genehmigen, die nicht bereits in der Liste enthalten sind.[8] Da die Liste jedoch recht weit gefasst ist und verschiedene Arten von Investmentfonds nicht berücksichtigt, schlägt die ESMA vor, ein Mandat für technische Regulierungsstandards („RTS“) zu erhalten, in denen festgelegt wird, unter welchen Umständen die in der Liste enthaltenen Kosten als unangemessen/nicht anrechenbar betrachtet werden sollten, wobei auch die Anlagepolitik der Investmentfonds Berücksichtigung finden sollte.[9] Mit anderen Worten: AIFM dürfen sich nicht einfach auf die in der Liste aufgeführten Kosten und Gebühren verlassen, um festzustellen, ob Gebühren oder Kosten einem AIF in Rechnung gestellt werden können.
Die ESMA betrachtet diesen Abgleich mit der Liste als einen „Eignungstest“. Dies kann als erster Schritt bei der Analyse der einem AIF in Rechnung gestellten Kosten angesehen werden. Um die Angelegenheit weiter zu verkomplizieren, weist die ESMA darauf hin, dass Gebühren oder Kosten, die die Anforderungen des Eignungstests erfüllen, dennoch als „unangemessen“ in Bezug auf ihre Höhe anzusehen sein können.[10] Daher wird in der Stellungnahme vorgeschlagen, von den AIFM zu verlangen, dass sie ein strukturiertes Preisfestsetzungsverfahren entwickeln und dieses regelmäßig überprüfen. Dieses Preisfestsetzungsverfahren soll den Prozess definieren, welcher für jeden einzelnen AIF sicherstellt, dass (i) alle in Rechnung gestellten Kosten zulässig und der Höhe nach angemessen sind, und (ii) dem Leitungsgremium des AIFM klare Verantwortlichkeiten für die Festlegung und Überprüfung der den Anlegern in Rechnung gestellten Kosten zuweist.
Schließlich müssen diese Kosten und Gebühren den Anlegern in den vorvertraglichen Unterlagen eines AIF offengelegt werden. Folglich müssen AIFM nicht nur die Art und den Umfang der Kosten und Gebühren, die einem AIF bei seiner Auflegung in Rechnung gestellt werden oder werden können, sondern auch deren jeweilige (Höchst-)Beträge im Voraus ermitteln und festlegen.[11]
Verantwortung des AIFM
Die ESMA stellt klar, wobei sich dies bereits aus Artikel 12 Absatz (1) der AIFMD und Artikel 17 Absatz (2) der Level-2-Verordnung ergibt, dass es in der Verantwortung des AIFM liegt, sicherzustellen, dass einem AIF keine unangemessenen Kosten in Rechnung gestellt werden.[12] Im Falle eines Verstoßes gegen Artikel 17 Absatz (2) der Level-2-Verordnung, wie er im Preisfindungsprozess eines AIFM und seinen vorvertraglichen Unterlagen spezifiziert ist, sieht die ESMA für die Compliance-Funktion eines AIFM eine Meldepflicht gegenüber der zuständigen NCA und den Investoren eines betroffenen AIF vor.[13] Nach Ansicht der ESMA sollte bereits ein fahrlässiger Verstoß gegen diese Pflichten mit einem Bußgeld geahndet werden.[14]
Zielsetzung der Stellungnahme
Das ausdrückliche Ziel der ESMA ist es, den Begriff der fälligen/unangemessenen Kosten für OGAW und AIF zu klären, AIFM zu veranlassen, einen koordinierten Preisfindungsprozess für die von ihnen verwalteten AIF zu etablieren und somit für die NCA eine solidere Rechtsgrundlage für Aufsichts- und Durchsetzungsmaßnahmen zu schaffen. Infolgedessen können wir ein gewisses Interesse der NCA erwarten, diese Angelegenheit zu überprüfen und sicherzustellen, dass AIFM (i) über einen dokumentierten Ansatz verfügen, um zu beurteilen, ob die einem AIF in Rechnung gestellten Kosten der Art und Höhe nach angemessen sind oder nicht, und (ii) diese Richtlinien in entsprechenden Fällen dokumentieren.
Die Selbstbewertungsfragebögen (SAQs)
Dies zeigt sich bereits in den SAQ. Hier fragt die CSSF den AIFM, ob alle Kosten und Gebühren, die auf der Ebene einer vom AIF kontrollierten Zweckgesellschaft während des Jahres berechnet wurden, in den vorvertraglichen Unterlagen angemessen offengelegt wurden. Darüber hinaus verlangt die CSSF explizit Informationen darüber, ob die an einen Anlageberater gezahlte Carried Interest/Performance Fee höher ist als die an den Portfoliomanager gezahlte(n) Gebühr(en). An dieser Stelle möchten wir auch noch einmal auf den „Final Report on Guidelines on sound remuneration policies under the UCITS Directive and AIFMD“ („Vergütungsbericht“) verweisen.[15] Dieser verpflichtet AIFM sicherzustellen, dass Unternehmen, auf welche Portfolio- oder Risikomanagementaufgaben delegiert wurden, über vergleichbare Vergütungsregeln verfügen, wie diese gemäß dem Vergütungsbericht für einen AIFM erforderlich sind.[16] Auch diese „Sicherstellung“ ist seitens eines AIFM initial sowie laufend zu dokumentieren. Wie die meisten von Ihnen wissen und aus leidvoller Erfahrung in diesem Jahr gelernt haben, ist der SAQ eine umfangreiche, tabellarische Abfrage, die von den AIFM verlangt, detailliert über die Einhaltung der aufsichtsrechtlichen und vertraglichen Verpflichtungen, der Risikomanagementpraktiken, der Governance-Strukturen und -Verfahren, der Genehmigung, Überprüfung und Anwendung der Compliance-Richtlinien, der Due-Diligence-Verfahren usw. Auskunft zu geben. Dies wird nun jährlich erfolgen und ab dem nächsten Jahr Teil des Audit sein. Leider können wir schon jetzt davon ausgehen, dass sich die Fragen für 2023 ändern werden. Wir glauben jedoch, dass es sinnvoll ist, zu versuchen, so viele dieser Anforderungen wie möglich zu antizipieren und sie im täglichen Leben eines AIFM umzusetzen. Einige der Punkte können „leicht“ durch die Aufnahme bestehender Richtlinien und Verfahren in die Sitzungen und Protokolle von AIFM und Boards abgedeckt werden. Andere können durch Aufnahme in die vorvertraglichen Unterlagen eines AIF aufgegriffen werden.
Unser Lösungsansatz
Auch wenn die Stellungnahme und das SAQ in Bezug auf Klarheit und Beispiele noch zu wünschen übrig lassen, sind wir der Meinung, dass es sinnvoller ist, einen dokumentierten, praktischen Ansatz vorzulegen, wie ein AIFM sicherstellt, dass seinen AIF keine unangemessenen Kosten in Rechnung gestellt werden, und wie angemessene Kosten potenziellen Anlegern mitgeteilt werden, als nichts vorzuweisen zu haben. Sollte der Gesetzgeber und/oder die NCA zu einem späteren Zeitpunkt weitere Details vorgeben, können die bestehenden Richtlinien und Arbeitsabläufe entsprechend angepasst werden. Dies gilt auch für die Meldepflichten im Rahmen des Selbstbewertungsfragebogens.
Bitte denken Sie daran, dass Artikel 12 Absatz (1) der AIFMD und der in diesem Zusammenhang wichtigere Artikel 17 Absatz (2) der Level-2-Verordnung bereits für AIFM gelten. Als AIFM müssen Sie sich laufend mit diesem Thema befassen. Andernfalls könnten Sie mit Beschwerden von Ihrer NCA und/oder Ihren Anlegern konfrontiert werden. Das Warten auf weitere Informationen und Klarstellungen seitens des Gesetzgebers und/oder der ESMA entbindet Sie nicht von der Verpflichtung, die Anforderungen der AIFMD und der Level-2-Verordnung zu erfüllen.
Unser AIQUNITED-Team berät Sie gerne zu allen Fragen rund um dieses Thema. Bitte zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren:
Harald Strelen
Tel: +352 26 20 2332
Fabienne Wirtz
Tel: +352 26 20 2332-24
[1]https://www.esma.europa.eu/document/opinion-undue-costs-ucits-and-aifs
[2] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A02011L0061-20210802
[3] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:32013R0231
[4] Siehe Stellungnahme, Seite 6 Punkte 7 und 8.
[5] Wie immer wird sich AIQUNITED in diesem Newsletter auf Themen im Zusammenhang mit der AIFMD konzentrieren.
[6] Stellungnahme, Seite 7 Punkt 12.
[7] Delegierte Verordnung (EU) 2017/653 der Kommission vom 8. März 2017 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 1286/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates über Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte (PRIIP) durch technische Regulierungsstandards in Bezug auf die Darstellung, den Inhalt, die Überprüfung und die Überarbeitung dieser Basisinformationsblätter sowie die Bedingungen für die Erfüllung der Verpflichtung zu ihrer Bereitstellung: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A32017R0653
[8] Stellungnahme, Seite 8 Punkte 19 und 22 b).
[9] Stellungnahme, Seite 8 Punkt 22 a).
[10] Stellungnahme, Seite 10 Punkt 23.
[11] Stellungnahme, Seite 13, Vorschlag zur Änderung von Artikel 12 der AIFMD.
[12] Stellungnahme, siehe z. B. Seite 7, Fn. 8; das gleiche gilt für OGAW-Verwaltungsgesellschaften. Zur Klarstellung: Diese Anforderungen finden bereits Anwendung und gelten auch für jede Art von Zweckgesellschaft, die im Besitz eines AIF ist. Sie sind nicht auf die Ebene des AIF beschränkt.
[13] Stellungnahme, Seite 11 Punkt 26.
[14] Stellungnahme, Seite 11 Punkt 28.
[15] https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/2016-411_final_report_on_guidelines_on_sound_remuneration_policies_under_the_ucits_directive_and_aifmd.pdf[16] Abschnitt 16 des Vergütungsberichts.