Rundschreiben 24/856 über den Anlegerschutz im Falle eines Fehlers bei der Berechnung des Nettoinventarwerts, der Nichteinhaltung der Anlagevorschriften und anderer Fehler
ADMIN / Juli 30th
Am 29. März 2024 hat die Commission de Surveillance du Secteur Financier („CSSF“) ein neues Rundschreiben herausgegeben, das sich erheblich auf die Verwaltung von Organismen für gemeinsame Anlagen („OGA“) auswirkt und das bestehende Rundschreiben CSSF 02/77 ab dem 1. Januar 2025 ersetzt (das „Rundschreiben“)[1].
Das Rundschreiben befasst sich mit Fehlern im Zusammenhang mit der Berechnung des Nettoinventarwerts („NAV“), der Nichteinhaltung der für OGA geltenden Anlagevorschriften sowie mit anderen Fehlern auf der Ebene eines OGA, wie im Rundschreiben näher ausgeführt. Das Rundschreiben gilt für Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren („OGAW“), Teil-II-OGA[2], SIF[3] und SICAR[4] sowie für ELTIF[5], MMF[6], EuVECA[7] und EuSEF[8], für die die CSSF die zuständige Behörde ist.
Das Rundschreiben gilt nicht direkt für nicht regulierte alternative Investmentfonds wie RAIF. Wenn jedoch nicht regulierte alternative Investmentfonds – wie z. B. RAIF – sich als ELTIF qualifizieren und die CSSF die zuständige Behörde im Rahmen der einschlägigen Rechtsvorschriften ist, werden bestimmte Abschnitte des Rundschreibens Anwendung finden.
1. Funktionen und Zuständigkeiten
Das Rundschreiben richtet sich insbesondere an: (i) das Leitungsorgan des OGA oder des AIFM, wie der Verwaltungsrat, ii) den AIFM (unabhängig davon, ob er seinen Sitz in Luxemburg hat oder nicht), iii) den Verwalter des OGA und iv) die Verwahrstelle.
Der CSSF zufolge liegt es in erster Linie in der Verantwortung der OGA-Verwalter oder der AIFM, wirksame organisatorische Maßnahmen zur Minimierung von Fehlern oder Verstößen innerhalb eines OGA zu treffen. Sollte es trotz der Präventivmaßnahmen zu Fehlern oder Verstößen kommen, sind diese Verwalter verpflichtet, sich an die im Rundschreiben dargelegten Richtlinien zur Behandlung solcher Probleme zu halten. Darüber hinaus müssen sie sicherstellen, dass die Vereinbarungen mit den Dienstleistern, die an den Geschäften des OGA beteiligt sind, gemäß den Leitlinien des Rundschreibens angemessen strukturiert sind.
2. Arten von Fehlern
Das Rundschreiben umfasst nicht nur Fehler bei der Berechnung des Nettoinventarwerts und Verstöße gegen die Anlagevorschriften, sondern auch andere potenzielle Fehler (z. B. Zahlung von Kosten/Gebühren, Swing Pricing).
- Erhebliche Fehler bei der Berechnung des Nettoinventarwerts (Abschnitt 4 des Rundschreibens)
Mit dem Rundschreiben wird erläutert, was einen erheblichen Fehler bei der Berechnung des Nettoinventarwerts darstellt, indem die Wesentlichkeitsschwellen festgelegt und die zu ergreifenden Maßnahmen beschrieben werden. Im Vergleich zum Rundschreiben CSSF 02/77 werden neue Toleranzschwellen definiert. Die verschiedenen Schwellenwerte sind von der Anlagestrategie des OGA abhängig.
- Nichteinhaltung der Anlagevorschriften (Abschnitt 5 des Rundschreibens)
Mit dem Rundschreiben werden das Konzept der passiven und aktiven Nichteinhaltung sowie zwei Korrekturmethoden eingeführt.
- Fehlerhafte Anwendung von Swing Pricing (Abschnitt 6.1 des Rundschreibens)
Bei Fehlern im Zusammenhang mit Swing Pricing und anderen Verwässerungsschutzmaßnahmen muss der OGA für die durch den Fehler verursachten Verluste entschädigt werden. Gemäß dem Rundschreiben ist der OGA nur dann verpflichtet, die Anleger für die bei der Zeichnung oder Rücknahme von Anteilen entstandenen Verluste zu entschädigen, wenn die anwendbare Wesentlichkeitsschwelle überschritten wurde.
- Nichteinhaltung der Kosten und Gebühren (Abschnitt 6.2 des Rundschreibens)
Das Rundschreiben legt dar, dass wenn ein OGA einen Betrag an Kosten/Gebühren (z. B. an einen AIFM, an Dienstleister) gezahlt hat, der im Vergleich zu dem in den Gründungsunterlagen und/oder im Prospekt vorgesehenen Betrag zu hoch ist, dies einen Fehler darstellt, der korrigiert werden muss und für den der OPC entschädigt werden muss.
Wenn der OGA weniger Gebühren oder Kosten gezahlt hat als vorgeschrieben, sollen die Anleger nach dem Rundschreiben vor der verspäteten Zahlung dieser Gebühren oder Kosten geschützt werden, indem entweder die Verluste des OGA von der Partei getragen werden müssen, die den Fehler verursacht hat, oder – wenn der Betrag dem OGA angelastet wird – indem die von dem Fehler betroffenen Nettoinventarwerte ohne Anwendung der Wesentlichkeitsschwellen neu berechnet werden.
- Fehlerhafte Anwendung von Ausschlussfristen (Abschnitt 6.3 des Rundschreibens)
Gemäß dem Rundschreiben sollen Anleger für Schäden, die durch die fehlerhafte Anwendung von Ausschlussfristen („cut-off periods“) entstehen, entschädigt werden. In den Gründungsunterlagen und/oder dem Prospekt eines OGA, der für Zeichnungen und/oder Rücknahmen offen steht, sind die Ausschlussfristen und -zeiträume festgelegt, die für Kapitaltransaktionen gelten, die Anleger auf der Grundlage eines bestimmten Nettoinventarwerts durchführen können („Ausschlussfristen“). Werden die in den Gründungsunterlagen und/oder im Prospekt vorgesehenen Ausschlussfristen nicht eingehalten, können die von den Anlegern ordnungsgemäß eingereichten Zeichnungs- und/oder Rücknahmeaufträge auf der Grundlage eines früheren oder späteren Nettoinventarwerts als denjenigen ausgeführt werden, den die Anleger bei Einhaltung der in den Gründungsunterlagen und/oder im Verkaufsprospekt vorgesehenen Ausschlussfristen erhalten hätten.
- Fehler bei der Zuordnung von Anlagen (Abschnitt 6.4 des Rundschreibens)
Das Rundschreiben geht außerdem auf Fehler ein, die bei der Zuordnung von OGA-Anlagen auftreten können, wie z. B. die Zuordnung eines Wertpapiers zu einem anderen Teilfonds desselben Umbrella-Fonds oder die Zuordnung von Geschäften zu den falschen Anteilsklassen. Wenn sich der Fehler negativ auf das Portfolio auswirkt, muss der OGA, der betreffende Teilfonds oder die betreffende Klasse für den durch die falsche Zuordnung entstandenen Schaden entschädigt werden.
3. Richtlinien zum Schutz der Anleger
Die Umsetzung dieser Leitlinien durch OGA, Investmentfondsmanager und andere Beteiligte soll dazu beitragen, das Vertrauen der Anleger in die kollektive Portfolioverwaltung und die in Luxemburg tätigen Anlageexperten zu erhalten. Die aktualisierte Regelung ermöglicht es der CSSF, die risikobasierte Aufsicht über OGA weiterzuentwickeln.
4. Inkrafttreten
Das Rundschreiben CSSF 24/856 tritt am 1. Januar 2025 in Kraft, und das Rundschreiben CSSF 02/77 wird aufgehoben. Eine englische Fassung des Rundschreibens wird in Kürze veröffentlicht.
[1] Die französische Fassung des Rundschreibens kann hier eingesehen werden: https://www.cssf.lu/en/Document/circular-cssf-24-856/.
[2] Ein Organismus für gemeinsame Anlagen im Sinne von Teil II des Gesetzes vom 17. Dezember 2010 über Organismen für gemeinsame Anlagen.
[3] Ein Spezialinvestmentfonds im Sinne des Gesetzes vom 13. Februar 2007 über Spezialinvestmentfonds.
[4] „Société d'Investissement en Capital à Risque“, zu Deutsch: „Investmentgesellschaft für Risikokapital“. Dabei handelt es sich um eine Art von Investmentgesellschaft in Luxemburg, die für Risikokapitalinvestitionen konzipiert ist und häufig für Risikokapital- und Private-Equity-Zwecke eingesetzt wird.
[5] Europäischer langfristiger Investmentfonds.
[6] Geldmarktfonds sind eine Art von Investmentfonds, die in kurzfristige, risikoarme Wertpapiere wie Staatsanleihen, Schatzanweisungen und Handelspapiere investieren.
[7] Der Europäische Risikokapitalfonds ist ein von der Europäischen Union geschaffener Rechtsrahmen zur Förderung von Investitionen in kleine und mittlere Unternehmen (KMU) durch Erleichterung der Tätigkeit von Risikokapitalfonds.
[8] Europäischer Fonds für soziales Unternehmertum: Ähnlich wie der EuVECA ist der EuSEF ein von der Europäischen Union entwickelter Rechtsrahmen zur Förderung von Investitionen in Sozialunternehmen.