Mehrwertsteuerbehandlung von Verwaltungsratsvergütungen: Luxemburgisches Bezirksgericht bestätigt das Urteil des EuGH im TP-Fall

AIQUNITED-TEAM / Dezember 10th

Das luxemburgische Bezirksgericht (Tribunal D’arrondissement) hat am 22. November 2024 (Fall: 2024TALCH03/00180) entschieden, dass eine natürliche Person, die als Verwaltungsratsmitglied einer Kapitalgesellschaft (Société Anonyme oder S.A.) tätig ist, nicht der Mehrwertsteuer unterliegt, da die von dieser Person erbrachten Dienstleistungen nicht als „selbstständig wirtschaftliche Tätigkeit“ im Sinne der Mehrwertsteuergesetzgebung gelten. Diese Entscheidung bestätigt das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom Dezember 2023 (Fall: EU C-288/22).

Nachdem das luxemburgische Bezirksgericht nun seine Entscheidung getroffen hat, wird erwartet, dass die luxemburgische Mehrwertsteuerverwaltung („AED“) in Kürze ein neues Rundschreiben zur Mehrwertsteuerbehandlung von Verwaltungsratsvergütungen veröffentlichen wird.

Gemäß dem Rundschreiben Nr. 781 vom 30. September 2016 vertrat die luxemburgische Mehrwertsteuerverwaltung ab dem Steuerjahr 2017 die Auffassung, dass die von unabhängigen Verwaltungsratsmitgliedern erbrachten Dienstleistungen grundsätzlich der Mehrwertsteuer unterliegen, unabhängig davon, ob die Verwaltungsratsmitglieder als natürliche Personen oder über juristische Personen agieren. Infolgedessen unterlagen die Verwaltungsratsvergütungen der luxemburgischen Mehrwertsteuer, und die Verwaltungsratsmitglieder mussten sich für mehrwertsteuerliche Zwecke registrieren lassen (mit Ausnahme in Bezug auf Leistungen für Investmentfonds).

In der Rechtssache „TP“ erhob Herr TP, ein luxemburgischer Steuerpflichtiger und Rechtsanwalt, der als Mitglied des Verwaltungsrats mehrerer Aktiengesellschaften tätig war und hierfür eine Vergütung erhielt, beim Tribunal d'Arrondissement Klage gegen die Entscheidung der luxemburgische Mehrwertsteuerverwaltung, auf die von ihm bezogenen Verwaltungsratsvergütungen Mehrwertsteuer zu erheben.

Da es in Luxemburg keine einschlägige Rechtsprechung zu dieser Angelegenheit gab, ersuchte das Tribunal d’Arrondissement den EuGH um eine Vorabentscheidung zu den folgenden beiden Fragen:

  1. Übt eine natürliche Person, die Mitglied des Verwaltungsrats einer Aktiengesellschaft nach luxemburgischem Recht ist, eine „wirtschaftliche“ Tätigkeit im Sinne von Art. 9 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 (Mehrwertsteuerrichtlinie) aus, und sind insbesondere die von dieser Person erhaltenen Vergütungen als Entgelt für die für diese Gesellschaft erbrachten Dienstleistungen anzusehen?
  2. Übt eine natürliche Person, die Mitglied des Verwaltungsrats einer Aktiengesellschaft nach luxemburgischem Recht ist, ihre Tätigkeit „selbstständig“ im Sinne der Art. 9 und 10 der Mehrwertsteuerrichtlinie aus?

Der EuGH entschied im TP-Fall, dass ein Mitglied des Verwaltungsrats einer Aktiengesellschaft nach luxemburgischem Recht eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne Artikel 9 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie ausübt, wenn es dieser Gesellschaft eine Dienstleistung gegen Entgelt erbringt und diese Tätigkeit einen nachhaltigen Charakter aufweist und gegen eine Vergütung ausübt, deren Festsetzungsmodalitäten vorhersehbar sind (Rz. 47 EU C-288/22). Allerdings stellte der EuGH im selben Fall auch fest, dass ein Verwaltungsratsmitglied einer Aktiengesellschaft kein eigenes wirtschaftliches Risiko trägt; dieses wird vom Unternehmen getragen. Daher wird die Tätigkeit des Verwaltungsratsmitglieds als nicht „selbstständig“ im Sinne der Artikel 9 Abs. 1 Unterabs. 1
der Mehrwertsteuerrichtlinie angesehen.

Nach dem Urteil des EuGH vom 21. Dezember 2023 erließ die luxemburgische AED am 22. Dezember 2023 ein neues Rundschreiben Nr. 781-1, das das ursprüngliche Rundschreiben Nr. 781 mit sofortiger Wirkung außer Kraft setzte. Dadurch wurde die Erhebung der Mehrwertsteuer auf Verwaltungsratsvergütungen bis zur Entscheidung des luxemburgischen Bezirksgerichts ausgesetzt. Zudem soll ein neues Verfahren eingeführt werden, durch das die luxemburgische AED die zu Unrecht erhobene Mehrwertsteuer an die betroffenen Steuerpflichtigen erstatten soll.

Das luxemburgische Bezirksgericht bestätigte das Urteil des EuGH und entschied im TP-
Fall, dass die von den luxemburgischen Mehrwertsteuerverwaltung erlassenen Steuerbescheide aufgehoben und die zu Unrecht erhobene Mehrwertsteuer erstattet werden soll.

Prinzipiell sollte diese Entscheidung auch für Verwaltungsratsmitglieder gelten, die sich in einer ähnlichen Situation wie im TP-Fall befinden – also für natürliche Personen, die Mitglieder des Verwaltungsrats einer luxemburgischen Société Anonyme sind. In diesem Fall sollten Verwaltungsratsmitglieder nicht als steuerpflichtige Personen im Sinne der Mehrwertsteuerrichtlinie gelten. Dies bedeutet, dass:

  • Das Verwaltungsratsmitglied der Aktiengesellschaft nicht mehr verpflichtet wäre, Mehrwertsteuer auf seine Verwaltungsratsvergütungen in Rechnung zu stellen;
  • Die Vorsteuer auf Aufwendungen im Zusammenhang mit der Tätigkeit als Verwaltungsratsmitglied nicht mehr abzugsfähig wäre;
  • Die Verwaltungsratsmitglieder sich von der Umsatzsteuer in Luxemburg deregistrieren müssten.

Die zentrale Fragestellung bleibt die Auslegung des Urteils: Handelt es sich hierbei um eine Entscheidung, die ausschließlich den spezifischen Sachverhalt des TP-Falles betrifft und nur für natürliche Personen als Verwaltungsratsmitglieder einer Société Anonyme relevant ist? Oder stellt dieses Urteil einen allgemeinen Rechtsgrundsatz auf, der für alle Verwaltungsratsmitglieder gilt, unabhängig davon, unter welcher Rechtsform die Tätigkeit ausgeübt wird?

Zum jetzigen Zeitpunkt bestätigt die Entscheidung des Luxemburger Bezirksgerichts lediglich das Urteil des EuGH und enthält keine weiteren Einzelheiten zur Anwendung auf spezifischere Fälle. Es ist daher verfrüht, Schlussfolgerungen über die weiteren Auswirkungen der Entscheidung über den konkreten Fall vor dem EuGH hinaus zu ziehen.

Ein wichtiger Schritt zur Klarstellung der Mehrwertsteuerbehandlung von Verwaltungsratsvergütungen in Luxemburg wird das voraussichtlich in Kürze zu erwartende neue Rundschreiben der luxemburgischen Mehrwertsteuerverwaltung sein. Wir hoffen, dass die luxemburgische Mehrwertsteuerbehörden diese Gelegenheit nutzen wird, um endlich die Mehrwertsteuerbehandlung von Verwaltungsratsvergütungen im Allgemeinen zu klären – etwa auch in Fällen, in denen das Verwaltungsratsmitglied eine Gesellschaft ist oder die Tätigkeit über eine Gesellschaft ausgeübt wird.

In der Zwischenzeit empfehlen wir, dass Verwaltungsratsmitglieder in Luxemburg weiterhin für die Mehrwertsteuer registriert bleiben und auf weiterführende Klarstellungen seitens der luxemburgischen AED zur künftigen Mehrwertsteuerbehandlung von Verwaltungsratsvergütungen warten.

AIQUNITED steht Ihnen gerne zur Verfügung, wenn Sie Unterstützung zu diesem Thema benötigen. Bitte zögern Sie nicht, uns bei Fragen zu kontaktieren.

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